1983, Berlin, 'Atonal 2 festival', live

  auf dem 'ATONAL 2 festival , Berlin', 19831202.2030

die teilnehmer: Z'EV, CA LINGO LINE,  HEAD RESONANCE, C.I.F., HIDETO SAZAKIS DISCO TUNES, LENINGRAD SANDWICH, GROENVIRKE, LA LOORA, LUCRATE MILK, PSYCHIC TV,  MANNAMASCHINE, TEMPLE OF PSYCHIC YOUTH / ZOS KIA, NON TOXIQUE LOST,
ROTHSCHILD ARMAMENT FORMATION, DIDAKTISCHE EINHEIT, AKUSTIKTANZTHEATER

PA &beleuchtung??

dank an : Dimitri Leningrad & crew (einladung + organisation), Tanith (für die aufnahmen)

Übersetzung: DIE !! Offenbarung des 2ten BERLIN ATONAL festivals, wo die Band auch herkommt Sie hat eine unglaubliche Menge an selbstproduzierten Cassetten herausgebracht, von denen viele ihre Konzertaktivitäten dokumentieren. Denn NTL erhebt sich mit einer erstaunlichen Kraft über "die Szene": ein intensiver "Klangfilm", wilde Schreie, die sich wie ein Feuerüberfall entladen,  "ursprünglicher industrial-punk" ("primal industrial-punk"). NTL: hypnotische Musik, klingt eher wie die "Berliner Krankheit" denn wie "NDW"... (orginaltext aus einem unbekannten belgischen ? / französischen fanzine) v.l.n.r.: Achim Wollscheid (gitarre), T.poem (stahlröhren) foto von P. Schmidt aka "cherrypop" (live auf dem ATONAL 2 festival, Berlin 1983)

"die jährlich stattfindenden 'Berlin Atonal' festivals von 1982-1986 (trotz des namens nicht auf 'atonale musik' beschränkt), wurden schnell ein lokaler treffpunkt, um die entwicklungen dieser kultur zu verfolgen. das filmmaterial dieser 'Atonal' festivals wenigstens zeigt das potential das in der erhöhten lautstärke und der verblüffenden abstraktion in vielen variationen angewendet wurde. die band 'Non Toxique Lost' zeigt mit ihrem song 'Ich sah Hanoi sterben' (Atonal 1983) eine gute einführung in die 'Berlin Atonal' ästhetik: ein vorwärtstreibender und gefühlsgeladener angriff begleitet von wütendem schreien des (eigenartiger name !) 'Sea Wanton' und mit dem ironischerweise seelenruhigen und bebrillten Achim Wollscheid, der gitarrenklänge produziert, die klingen, als ob radioaktive würmer auf einem stahlboden zucken ... (Thomas B.W. Bailey, how gray was my 'mauer': the nostalgia for berlin aesthetics, übersetzung: Sea Wanton)

...retrospektive Berlin Atonal 2 festival, 2.12.83 (text von Sea Wanton)

NTL 
ein CAN CAN produkt 
best soap you eve bought 
06131-224043 
abfahrt in Mainz um 8:30. um 1 uhr an der grenze (Helmstedt). BERLIN ATONAL 2  (foto des posters von Privatarchiv Manfred Weiss, danke an manfred)

die "Pankehallen" um ungefähr 17 uhr erreicht. ist kalt in der halle. riesige p.a. und alle sind beschäftigt. "wo ist Dimitri (HEGEMANN)?". "der typ an der bühne da drüben. "hallo wir sind NON TOXIQUE LOST".  schön dass ihr da seid. ihr müsst als erste spielen. stellt eure sachen hinter der bühne ab. freikarten und alles andere gibts bei "Kaspar". euer soundcheck ist der letzte." oben. hinter der bühne. da ist es wärmer und es gibt was zu essen. unbekannte gesichter kiffen und später wird der gestank überall in der halle zu riechen sein. kurz gegessen und ich gehe hinter die bühne um unsere anlage aufzubauen. sehr kalt. um 20 uhr beginnt der soundcheck. der mann am mischpult redet mit T.Poem (aka steffen): "hey, du geigenspieler !". dafür bekommt er wilde rückkopplungen serviert,  die für etwas verwirrung sorgen.wir spielen also "KRIEGSTANZ" mit tonband, gitarre, synthesizer und geige. LÄRM. oben, hinter der bühne, ist immer noch der ekelerregende gestank. wir treffen HEINO (vom SCHEISSLADEN) der als moderator geplant ist. um 21 uhr haben wir unseren auftritt. mist. glücklicherweise ist schon beim  ersten song unser cassettenrekorder defekt: kein rhythmus oder geräusche da. wir stoppen. der mann am mischpult leiht uns seinen rekorder (danke !) das ganze hat unsere nervosität gesteigert, aber wir müssen beginnen. doch ausser tonband, synthesizer und eigenem gesang höre ich - NICHTS. und als ich zu singen anfange, knallt mir die linke stagebox die texte mit der wucht eines dampfhammers ans linke ohr. ok. wir beginnen mit "MSEQ". Steffen spielt auf den stahlröhren die in einer art "käfig" aufgehangen sind und der auf dem schlagzeugpodest steht (siehe bild oben). Achim Wollscheid
steht rechts auf der bühne und ich ahne, dass er auf seiner gitarre spielt. kann aber nichts davon hören. das rhythmusband läuft und ich kann ein paar bruchstücke von den sequenzer-loops erkennen. dann spielen wir "KRIEGSTANZ" und BLIXA (BARGELD) soll "kotzgebärden" dazu gemacht haben. der "industrial" rhythmus klingt nicht besonders gut und dann kommt auch zum schluss die reaktion des publikums: "löst euch auf". es müssen auch ein paar "hippie" schmährufe gefallen sein:  wahrscheinlich aber an meine adresse gerichtet. Steffen verlässt die bühne und Achim und ich spielen "MIGHT IT BE SAILING". ich kann nichts von Achims gitarre hören und wütend schreie ich meine text durchs mikro, um später zu erfahren, dass man NICHTS davon verstanden hat. Sea Wanton, foto vom "ATONAL 2" VHS-video
"scheisse - scheisse" brüllen einige im publikum. kommt nicht gut an, wenn man sich auf der bühne nicht in "rock"-cliches bewegt. kein KRAFTWERK. keine GABI (DELGADO-LOPEZ) freundschaft. keine leber und kein pansen. keine show. nein: die show muss weitergehen. kühl und teilnahmslos spielen wir GA LESCHI GAMBI. hatte eigentlich dazu trompete spielen wollen, aber da ich das rhythmustape nur sehr verschwommen wahrnehme entschliesse ich mich dagegen. meine stimmung ist auf "null" und bei  NACH DER ARBEIT ist zudem meine stimme komplett daneben. Steffen arbeitet auf seiner geige und ich erahne einige leise geräusche. habe aber keine lust deswegen quer über die bühne zum stagemixer zu gehen. kein wunder, dass uns auch ICH SAH HANOI STERBEN misslingt. ich habe probleme beim rhythmus und erst bei  ICH KANN - ICH WILL ist wieder alles ok. es gibt beifall und ich will endlich fertig werden. deshalb singe ich auch bei WER KEINEN SCHMERZ MEHR SPÜRT sehr leidenschaftslos. endlich: der letzte song.. MIT RITA ÜBER DIE GLEISE. plötzlich ist das rhythmus total daneben, aber alle halten durch. fertig. wir bauen ab und während wir die instrumente von der bühne schleppen, kommt "Graf Haufen" (Mr. Slut) und erklärt, dass der auftritt "nicht überzeugend" gewesen sei. frust. wir gehen wieder in den ersten stock und ich hole unser gage (400,- DM und 100,- DM "spritgeld") und Dimitri (HEGEMANN) sagt, dass der auftritt ok gewesen sei und auch den leuten von SPEX und TIP hätte es gefallen. kann ich garnicht finden. der schäferhund im büro des veranstalters riecht meinen (westdeutschen) hund und schnüffelt wild an mir herum.

Chronologie der Ereignisse
(aufgeschrieben von J. Teipel in " Verschwende Deine Jugend")
(Quelle: www.gesellschaftsinseln.de)

12 / 81 "Berliner Krankheit"-Tournee  (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, MDK, SPRUNG AUS DEN WOLKEN)
3 / 82  Andreas Dorau  "Blumen und Narzissen"-LP  NEONBABIES  "Harmlos"-LP
29.04.82  Erster Auftritt der TOTEN HOSEN
6 / 82  Markus veröffentlicht seinen NDW-Hit "Ich will Spaß"
10 / 82 PALAIS SCHAUMBURG  "Lupa"-LP und Tournee mit Kurtis Blow
 7 / 1983  DÖF erreichen mit "Codo (...düse im Sauseschritt)"  Platz 1 der deutschen Single-Charts

und was noch geschah: ---backstage --

2.12.1983
Der Bundestag hebt einstimmig die Immunität von Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) auf,
der im Zusammenhang mit der Flick-Affäre unter dem Verdacht der Bestechlichkeit steht.
Die deutschen Sportjournalisten wählen den Schwimmer Michael Groß, die Hochspringerin Ulrike Meyfarth
und die Handballer des VfL Gummersbach zu »Sportlern des Jahres 1983«.

pressetext der veranstalter des ATONAL 2 festivals in Berlin (1983)

"ATONAL ist das unabhängige fest der nonkonformisten, atonale gelegenheit für kreative musiker, maler, filmer und frisösen. die stinkenden versuche eingebildeter zyniker und charaktermasken in den medien und hinter den kulissen mit businessmethoden jeden ansatz etwas anderes zu tun kaputt zu kriegen werden überlebt. ATONAL wird sich ihr orientierungsloses bla bla nicht aufzwingen lassen.dagegen stehen die ernsthaft motivierten musikalischen und künstlerischen zusammenarbeiten. ATONAL ist selber hören. die freiheit eigene gedanken und urteile zu bilden und nicht in das miese, vorgefertigte system der idioten einzusteigen. ATONAL hören und sehen wir was wir brauchen um zu verstehen was wir tun. ATONAL ist keine bequeme täuschung und kein vorschriftsmässiges einverständnis. Es gibt eine neue art zu hören und zu sehen..." (adi atonal)

Ort: Berlin, Pankehallen ?

Die Tresorfabrik S. J. Arnheim befand sich in Wedding, Badstraße 40/41, auf der nördlich der Badstraße gelegenen Hälfte der Pankeinsel. Um 1833 hatte der Schlossermeister und Mechaniker Simon Joel Arnheim (1804 o. 1802–1875) in Berlin mit dem Bau feuerfester Kassen und Panzerschränke begonnen. 1890 zog die T. von der Rosenthaler Straße in die Badstraße. Carl Arnheim (1851–1905) ließ hier nach Plänen des Architekten Wilhelm Martens (1842–1910) ein Mietshaus, eine erste Fabrikhalle, ein Inspektorenhaus und mehrere eingeschossige Lager- und Werkstattgebäude errichten. Die Fabrikhalle wurde 1895 auf drei Etagen aufgestockt und die ehemalige  Pankemühle umgebaut. Ebenfalls nach Plänen Wilhelm Martens wurden 1897/98 die 180 m langen Shedhallen geschaffen, wobei der westliche Pankearm zugeschüttet wurde. Die
T. stellte in maschineller Großproduktion reichverzierte Geldschränke her, die durch ihr äußeres Erscheinungsbild Sicherheit, Besitz, Reichtum und das Repräsentationsbedürfnis der potentiellen Kunden optisch widerspiegelten. Die hohe Qualität ließ den Namen Arnheim zu einem Synonym für den Geldschrank
schlechthin werden. Nach dem I. Weltkrieg konnte die Firma nicht mehr an ihre ehemalige Bedeutung anknüpfen, technische Neuerungen wie der Nachttresor kamen von der Konkurrenz. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich und führte mit der Weltwirtschaftskrise 1929 zum Niedergang. 1938 wurde das Unternehmen zwangsversteigert. Die letzte, nur noch nominelle Besitzerin dieses einst traditionsreichen jüdischen Familienunternehmens, Dorothea Arnheim († 01.11.1942), wurde im September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Während des II. Weltkrieges wurden 1944 bei Luftangriffen das Bürogebäude und einige Werkstätten zerstört. Nach dem Kriege zogen andere Firmen in die noch vorhandenen Gebäude; 1966/67 wurde das Areal ein Gewerbehof. Im Zusammenhang mit der Gestaltung des  Pankegrünzuges wurden bis auf die Shedhallen alle früheren Fabrikationsstätten abgerissen und der Hof in den Pankegrünzug einbezogen. Nach einer Restaurierung der denkmalgeschützten Pankehallen (Shedhallen) wurden sie 1986 zu einer Bildhauerwerkstatt für den Berufsverband Bildender Künstler umgewandelt.

Wedding (Berlin) ?
Text von: ??? aus (paparazzi-forum...)
Szene in Wedding - ja die gab es. Als ich kam, gab es gerade den Volkszählungsboykott, bei den Weddinger Anlaufstellen der Boykottbewegung machte ich erste Bekanntschaft mit, im Vergleich zu Kreuzberg, doch recht zugänglichen Leuten. Wedding war Anfang der 80er der Bezirk mit den zweitmeisten Hausbesetzungen, eigenes Weddinger Besetzerplenum, jede Menge Besetzerkneipen, im Sommer Hinterhoffeste mit OpenAir Bühnen. Eine Zentrale der Szene war der Laden in der Buttmannstrasse, dort wurde u.a. das alternative Presseorgan "Weddinger Neue Zeitung" erstellt, ein Blatt, das im Zuge der Bürgerinitiativbewegung Mitte der 70er entstanden war, inzwischen von eher Linksgrünen erstellt wurde, und später von Autonomen "übernommen" wurde. Wichtig war das riesige besetzte Fabrikobjekt in der Prinzenallee, später legalisert und wohl längere Zeit noch recht erfolgreich (was jetzt damit ist, weiss  ich nicht). Es gab auch einige Szenekneipen, etwa in der Nähe der TFH im Viertel mit den belgischen Strassen, oder um den Leo. Nach eineinhalb Jahren hat es mich dann aber doch nach Kreuzberg gezogen, wo ich die nächsten 16 Jahre blieb.
Im Wedding war ich später kaum noch.
 

NON TOXIQUE LOST hingefahren nach B, rein in die Pankehallen, gepielt und vergessen ?

Text von: Sea Wanton

Vertrauen ist der Anfang von Allem.So startet die DEUTSCHE BANK ihre grosse Werbekampagne,
um die Jugend der Welt, für sich und immer nur sich zu gewinnen. (in memoriam: RIO REISER)
Wir (d.h., die (non)Musiker von NON TOXIQUE LOST (kurz, NTL)) glaubten am 2. Dezember des Jahres 1983 selbstverständlich daran, dass die Sonne noch mindestens 20 Millionen Jahre lang unseren Erde-Planeten erwärmen und die amerikanischen GIs auch heldenhaft "unser" Westberlin gegen die Rote Armee verteidigen würden.
Bewaffnet waren wir mit: einer Gitarre (FENDER, Typ "Telecaster"), einer Violine (mit Kontaktmikrofon) ,
einem Synthesizer MS-20 (KORG), einem Stylophon , einem Cassettenrecorder (Marke AKAI),
einer Rhythmusbox (MFB-501) , einem Sequenzer (MFB-601) , einem Orgel-Verstärker (NOVANEX)
einem Gitarren-Verstärker (FENDER "Reverb") ,einer Trompete ("Made in the GDR" war d'rauf eingestanzt)
und last not least:  mit einem Klang- /Kunstobjekt, das wir uns aus dem Ausstellungsraum des Institut für
Kunst (Universität Mainz) "besorgt" bzw. "entliehen" hatten. Irgendjemand (von den Kunststudenten) war da auf die Idee gekommen, 20-30 Stahlrohre, gesammelt auf Schrottplätzen, Baustellen, Mülleimern, etc.,
auf ihre "Klangqualität" zu prüfen, jedes Rohr dann auf eine Länge von ca. 1 m zu kürzen, ein etwa mannshohes Stahlgerüst (so etwas wie einen "Gitter"- oder "Klangkäfig") zu konstruieren und dann alle diese Metallteile rund herum innen drinnen an Stahldrähten aufzuhängen: man konnte also innerhalb und ausserhalb durch Draufschlagen auf die Rohre das gesamte Gebilde zum "Klingen nach allen Seiten" bringen.
 

Wir, d.h., A. Wollscheid, S. Schütze und G. Neumann (aka Winston Churchill, aka Sea Wanton)
lebten '83 noch in der "Provinz" (zumindest soweit es den Aspekt der "neuen deutschen (experimentellen) Musik" betraf), in jenem "am Rosenmontag bin ich gebor'n" bekannten Mainz und begierig darauf, unsere Geräusche, unsere Ideen dem Berliner Publikum zu präsentieren.. P. Prieur (POGO),  hatte kurz vorher die Band verlassen, wir entfernten  uns also immer mehr von der "1-2-3-4" Attitüde seines Gesangstils und integrierten mehr und mehr "echte", "konkrete" Samples in unsere Songs. Wieso uns aber Dimitri Hegemann, der Organisator des "BERLIN ATONAL 2" Festivals zur Teilnahme eingeladen hatte (ausser einem Demo-tape und einem kurzen, freundlichen Briefwechsel war vorher nichts in Richtung Berlin gegangen), blieb uns rätselhaft. Immerhin waren als top-acts PSYCHIC TV, ZOS KIA und ZE'V angekündigt !! - wer also hatte sich für uns "starkgemacht"? Gleichwohl steckten wir mit unseren aktuellen Aktivitäten schon ziemlich intensiv in der "Kassettentäter"-Szene. U.a. schrieb ich ja auch in der deutschen SOUNDS (Musikzeitschrift) unter dem Pseudonym GEN-82 Kritiken zu / über Cassettenproduktionen. R. Schönauer (er besass ein TEAC 4-track Tonband, war Mitglied bei SELEKTION und Bassisst bei der Band "PD" bzw. "P16.D4") hatte von uns die ersten "studio-tauglichen" Aufnahmen gemacht und damit die Produktion unserer ersten (mit guter Aufnahmequalität) Cassette ermöglicht. Grössere Beachtung fanden unsere bisherigen 'live" Auftritte und Produkte allenfalls bei den sog. "Punks" und "Künstlern", wenig dagegen  bei den "Jazzern" oder "New Wavern", schon gar nicht bei den Fans der sog. "NdW" (NEUE DEUTSCHE WELLE). A. Wollscheid studierte noch Kunst, S. Schütze war bei der Bundeswehr und ich arbeitslos. Aber wir hatten einen guten Übungsraum  (an exponierter Stelle, mitten im Zentrum des Universitätsgeländes !!), meine (damalige) Freundin einen VW-PASSAT, ein paar Freunde, die auch mal Berlin erleben wollten. Viele Collagen, Geräusche, Sounds, Rhythmen, Sequenzen und "field recordings" hatten wir schon auf die Datenträger ( hier: Compact-Cassetten) "archiviert" und drumherum ein "live"-Programm eingeübt. Eben eine Mischung aus Tapeeinspielungen und Tonerzeugung in Echtzeit, plus Gesang - so wollten wir vor ein Publikum treten.

Am Grenzübergang "Helmstedt" dann die erste Konfrontation mit dem "zweiten" deutschen Staat. 
Der "DDR-Grenzer" mockiert sich über S. Schütze, der sich weisse Handschuhe übergezogen hatte (war ja auch immerhin Winter, da am 2.12.1983 !!). "Sieh mal da, ein echter Lord..." (sinngemäss) kommt's also vom Uniformierten der DDR-Grenztruppe (NVA?) und dementsprechend scharf werden auch die Pässe und Ausweise der Fahrzeuginsassen kontrolliert. Trotzdem: Keine Fahrzeugkontrolle? Erinnere mich nicht mehr...Jedenfalls ist die Transitstrecke ein Holperweg, die Reisegeschwindigkeit von (konstant ?) 100 km/h wird alle Nase lang von (DDR)-Polizei (mit Radarfallen) kontrolliert. Anhalten will sowieso niemand in diesem Land und fast zufällig, kaum wahrnehmbar teilt sich dann diese sog. "Autobahn" in die Richtungen "Berlin - Hauptstadt der DDR" und "Berlin (West)". Aber gerade noch rechtzeitig  gesehen und nicht in die Falle gelaufen...schnell ab nach rechts... Die Pankehallen sind ein roter Backsteinbau. Schnell gefunden. Und es ist so kalt, dass mir nur noch der Begriff  "sibirischer Winter" zu Berlin einfällt. 

Irgendwann finden wir uns auch im Backstage-Bereich wieder. Einige der Musiker dort kennen wir mit Namen (aus Fanzines, SOUNDS, SPEX, etc.). HEINO und BLIXA BARGELD sind da. GRAF HAUFEN zum ersten Mal persönlich getroffen - während der Aufbauarbeiten zum Soundcheck. Das Festival soll auch für den Radiosender "SFB" ( jetzt: "RBB") aufgezeichnet werden.. Zudem werden auch Video-Aufnahmen
ggemacht. Vor der Bühne ist ein kleines "Meer" von Fernsehkameras und sonstigen Aufzeichnungsgeräten aufgebaut. Die Bühne ist in ein "hippie-eskes" Lichtermeer ("Bühnenlicht", Spotlights ohne Ende) getaucht, es blinkert und blitzt wie in 'ner Disco. Auf dem Schlagzeugpodest haben wir unseren "Klangkäfig" aufgebaut. Front zum Publikum: links hat sich A. Wollscheid mit Gitarre positioniert, rechts ich mit Synthesizer. S. Schütze wird den "Klangkäfig" "betrommeln" und ab und an auch seine Geige "malträtieren". Soundcheck als letzte Band. Weil wir ja auch als "opener" gebucht sind. Alles ok. Dann ist es soweit: HEINO sagt den Auftritt an.
Der Auftritt beginnt mit einer Katastrophe - der Cassettenrecorder ist defekt. Wir bekommen ein  Ersatzgerät vom (Saal)-Hauptmixer. tanx, tanx...wherever you are !! Nochmal die Ansage: jetzt gibt uns THEO das Signal. Wir beginnen nochmal. Und ab hier "brüllen" die Stageboxen mit einer ungeheuren Lautstärke auf uns ein. Wir schaffen dennoch ! unser gesamtes Programm - so eben mal, mit "Ach und Krach", so "la la" eben!  Dreiviertelstunde Stehen in der klirrenden Kälte auf der Bühne, lärmende Stageboxen, kein Feedback zum Mixer und und und... Irgendwie hatten wir da unsere Kräfte ein bischen überschätzt - Konditionsschwäche...wer hätte das gedacht ?. Kaum Applaus, keine Zugabe. Wir bauen schnell ab. Nach uns wird "LORENZ LORENZ" angekündigt. In der Zwischenzeit kassiere ich unsere Gage. Dimitri hat ein kurzes Lob für unsere "performance" (danke Dimi, hat gut getan) ...Im Backstage-Bereich werden wir zu allem Überfluss dann auch noch von Clarissa (MANNAMASCHINE) "verbal attackiert" mit hinlänglich bekannten "Musik muss aus dem Bauch kommen" Slogans. OK. boring...aber wir sind zu "echter" Gegenwehr zu schwach... Jemand hat auch einen Schlafplatz für uns (in Neukölln ?) organisiert (auch hier: tanx, tanx, nochmal !). Am nächsten Morgen repariere ich die Lautsprecher (Boxen) in meinem Auto.  Drehe die Musik auch recht ordentlich laut (ich schwöre, mehr als 30 Watt waren nicht drin!) und werde demzufolge auch gleich  von einem der Anwohner "angemault", dass ich "... nicht die ganze Strasse zu beschallen hätte". Am Nachmittag (es wird ja in dieser Jahreszeit in dieser Stadt schon so gegen 14:00 Uhr dunkel) will ich denn auch mal den "anti-imperialistischen Schutzwall" sehen und fahre also mit'm Auto bis ich irgendwann grad davorstehe, weil da nämlich die Strasse einfach aufhörte "zu sein" (keine Ahnung wo das wirklich war).
Jedenfalls war's vom Eindruck so, wie man's aus den vielen sog. "Agenten-Thrillern" her kennt: neblig, duster, spärliche Funzellampen, Mauer, öde, leer, manchmal ein Scheinwerfer, der die Mauerkuppen berührt. Leises Murmeln der Grossstadt im Rücken. Dann: ZE'V und ZOS KIA (3.12.83). Und frühmorgens sind wir auch nochmal ins MADONNA (Kreuzberg). Schon faszinierend, ' ne sog. "alternative Szene" ohne "Sperrstunde" zu erleben. Zurück nach Mainz. Der Frust ist gross: Wir hatten vergessen unseren Gig mitzuschneiden. Ein paar Tage später schreibe ich meine Eindrücke von unserem Auftritt auf und der Text wird später in unserem NTL (fun)fanzine "HANDBOOK OF FUN" veröffentlicht. Aber AMOK (als TANITH dann später erfolgreicher „techno“-dj) war im Publikum, hat seinen tape-recorder (oder war's der von S. Schütze ??, nämlich einen KAWAI, mit dem wir auch die live-Aufnahmen des SPK gigs ('82 in WI) gemacht hatten) hochgehalten und den Auftritt von NON TOXIQUE LOST dokumentiert. Er überlässt uns diese Aufnahmen (auch hier Lob und Dank dafür). Wir veröffentlichen diese Aufnahmen auf compact-cassette (C-60, Dolby, CrO2) und machen in unserem HANDBOOK OF FUN mit einigen Collagen die Werbung. 

Monate später bekommen wir Post aus Berlin: eine Cassette mit dem "stagemix" (SFB) des Auftritts. Ich frage irgendwann (1986 ???)  die Firma "K7" (jene Firma hat die Video-Aufnahmen während des Festivals gemacht) nach dem Material (es soll ein Mitschnitt von auf "U-MATIC" existieren). Und wirklich: wir bekommen Antwort und es heisst, wir könnten das Teil für DM 500,- kaufen. Nee, is aber echt nich' drin:
meine Arbeitslosenhilfe (im Jahr 1986) pro Monat ist so um die 520,- DM...woher nehmen wenn nicht stehlen?
 

HEAD RESONANCE Atonal 1983 Berlin Konzert: But who is eating me?

Text von: Peter Elsner, Helsinki 2005
HEAD RESONANCE Company: interdiziplinäres Kunst- und Forschungsprojekt
1978-84 (Peter Elsner/ Benjamin Heidersberger)
http://headresonance.de/
Gesang: Bella Bass: Benjamin Heidersberger Guitare: Peter Elsner Schlagzeug: Knut Banderob

Während des Auftritt wurde die von Benjamin Heidersberger und Peter Elsner entwickelte
“Maschine ohne Namen” verwendet.

Die Story:
Wie zu jedem unserer Perfomamces wollten wir ein Konzert entwickeln das nur einmal aufgeführt wird.
Dazu luden wir Bella ein, die gerade in einer Wolfsburger Punk Band sang.
Ich schrieb den Songtext für sie (But who is eating me?) der einige Diskussionen auslöste,
da in dem Text eine Pasage war in der es hieß "Engel würden an unseren Gedanken saugen".-
Der junge jazzorientierte Drummer Knut Banderob wurde dann dazu gezwungen, 
sein schönes grosses Schlagzeug zu Hause zu lassen und wir gaben ihm eine Trommel, br>die wir auf dem Spermüll gefunden hatten.  Ausgerüstet mit Bass, Guitare und Trommel
standen wir am Grenzübergang Helmstedt in der Dunkelheit bei Scheißwetter und warteten auf irgendein
Kfz das uns über die Grenze bringen würde.
 

 Das Video zum Festival

BERLIN "ATONAL 2 FESTIVAL" 1983, VHS (part 1 & 2) video featuring:
ZEV, CA LINGO LINE,  HEAD RESONANCE, C.I.F., LORENZ LORENZ, HIDETO SAZAKIS DISCO TUNES, LENINGRAD SANDWITCH, GROENVIRKE, LA LOORA, LUCRATE MILK, PSYCHIC TV,  MANNAMASCHINE, TEMPLE OF PSYCHIC YOUTH / ZOS KIA, NON TOXIQUE LOST,
RROTHSCHILD ARMAMENT FORMATION, DIDAKTISCHE EINHEIT, S.Y.P.H., AKUSTIKTANZTHEATER

Publikum?
von: Ruebenkraut (30.12.2001 um 00:40 Uhr). (Quelle: www.hoeflichepaparazzi.de, "paparazzi-forum",)

Beim Penis-Piercing mit John Peel

1983 kam ich mit Anfang 20 nach Berlin zum Studieren. Es gab noch besetzte Häuser. Es gab noch Punks. Es war die Zeit, in der man schwarze Lederjacken trug. In denen die Kneipen sich weisstünchten und Neonröhren statt Lampen hinhängten.Es gab noch Ofenheizungen (vor allem im Osten, wo man kaum mal hinkam, aber auch in Wedding, Kreuzberg, Neukölln), die regelmässig winters für Smog sorgten. Ich geriet wohnungsmässig in den Wedding (die Berliner sagen "auf`m Wedding", was ich aber nie verstanden habe). 
Das war nicht gerade der angesagteste Bezirk. War jedenfalls nicht Kreuzberg, wo alle wohnen wollten. Aber es war auch nicht Neukölln. Für die Pankehallen im dunkelsten und hintersten Eck vom Wedding (zur Info für die Neuberliner hier im Forum, die inzwischen abgerissenen Pankehallen standen etwa da, wo sich Osloer br>SStrasse und Panke kreuzen, östlich der Koloniestrasse) kündigt sich im Dezember 1983 das "Berlin Atonal" an. Die Backstein-Fabrikhallen, die tatsächlich noch beinahe im Urzustand vor sich hingammelten und schimmelten, waren das ideale Abiente für Industrial-Schrott Musik, Postpunkmuke. Musik, die nur vom König der Radiomoderatoren, John Peel, in seiner wöchentlichen Show auf BFBS und BBC regelmässig gespielt wurde, da andere Sender ungern über 90 % ihre Höhrerschaft vergraulen. Und wer so etwas hörte und dabei cool Zustimmung nickte, der gehörte dazu. Ich wollte dazu gehören. Atonal, das war die Zukunft. Und die Weddinger Szene war stolz darauf, die Kreuzberger ausgestochen zu haben (spätere Berlin Atonals fanden im SO 36 in der Oranienstrasse statt).  Am Abend des Atonal Festivals, ein regnerischer, scheisskalter Dezemberabend, versinkt auf dem Vorplatz die Schlange der Einlass Begehrenden langsam im Matsch,
während von drinnen schon reichlich Atonales aus der Konserve kracht. Düsternis unterbrochen von Stroboskoplichtgeblitze. Kurzfristig werde ich für den Einlass rekrutiert. Stempel auf Handrücken und Arme drücken. Natürlich will jeder bei einem Tagespreis von 12 DM mit einem Pfund bezahlen. Schon als ich hinkomme, gibt es kein Hartgeld mehr. Die draussen im Regen murrende Schlange wird länger und länger, an der Tür beginnt ein grosses Geschiebe und Gedränge. Kurz vor der Explosion kommt endlich der Typ mit dem Silbergeld. Gleich am Anfang entfacht eine Band ein ungewolltes Feuerwerk auf der Bühne. Es droht der Abbruch der Veranstaltung, doch die Feuerwehr sieht wohl ein, dass man die Szene, die sich hier versammelt hat nicht einfach rausschmeissen kann. Und es ist ja auch nix passiert.Die Sängerin einer Band lässt sich nackt auf ein Metallrost fesseln, das an einem Drehgestell befestigt ist. Sie wird in die Vertikale und kopfunter gedreht und röchelt in dieser Position Liedtext in das zwischen ihren Brüsten mit Paketklebeband befestigte Mikro. Freundlicher Applaus. Im Nebenraum ist eine Waschmaschinentrommel einschliesslich Motor aus ihrer Hülle befreit worden. In die rotierende Trommel werden von Männern in weissen Overalls Gegenstände geworfen und dazu passend unrhythmisch geschrieen. Einige bleiben stehen und wippen mit den Füssen.
Die anderen drängeln vorbei zum Bierstand im nächsten Raum. Höhepunkt des Abends ist der Auftritt von "Psychic TV": Während der Sänger atonal das Mikro bearbeitet, wird an die graue Hallenwand hinter seinem Rücken überlebensgross ein Dokufilm projiziert, der in Nahaufnahme eine Operation zeigt: Hände, Instrumente, Blut, ein Ring, ein Penis, alles in Handkamera-Wackeloptik, Zeitlupe, untermalt von dem Live-Gebrüll des Operierten. Der Mann lässt sich einen Ring durch die Eichel ziehen. Das Wort "piercen" gehört 1983 noch nicht zum Wortschatz, der ganze Vorgang ist so "unerhört", dass ich beinahe vergesse, das mir schon angewöhnte Berliner-Neustudent-Coolness-Gesicht aufrecht zu erhalten. Im Publikum, vergleichsweise unpassend gekleidet, äusserlich ungerührt vom Bühnengeschehen, einer der alles schon gehört hat, er steht plötzlich neben mir und ich wundere mich ein bisschen über diesen Mann, der so gar nicht szenemässig  drauf ist.  Ein Freund deutet auf ihn und schreit mir ins Ohr: DAS IST JOHN PEEL!. Ich muss verständnislos geglotzt haben, denn
er wiederholt es, mit leicht genervtem Unterton: Kennst Du
nicht? John Peel!  Klar kenne ich John Peel - aber doch aus dem Radio, nicht von  Angesicht.  Es ist John Peel.   Sieht ein bisschen so aus wie Umberto Eco, der gute. br> 

SEXORZISTEN

Text von: Oliver Shunt

...ist eigentlich ein heiliges Kapitel, weil wir, die Sexorzisten dort unseren allersersten Gig hatten. Muss aber dazu sagen, dass wir zu der Zeit nichts mit anderen zu tun hatten und auch nichts mit anderen zu haben wollten. Wir sassen also ausschließlich selbstsüchtig und zufrieden über verschiedenen Päckchen Pulver nebst einer 1 Liter Flasche Whiskey im Backstage, wenn wir nicht gerade unseren Gitarristen irgendwo von der Strasse auflesen mussten. Blixa hatte mit dem event meines Erachtens nichts zu tun.

story der "Sexorzisten" (text: oliver shunt)
&"Ende 1983 von O.S. und M.W. gegründet spielte man sich über ein Jahr lang zum Geheimtip in der überschaubaren Westberliner Untergrundmusikszene. Ihr erster Auftritt auf Atonal 2 wurde gleich zur Legende als erst die Vorgruppe eine Rauchbombe zündete und Tags darauf Sänger Shunt kurz vor Konzertbeginn mit einem Ordner in Streit geriet und mit blauen Augen ein Set durchsang, dass niemand geringer als John Peel persönlich als 'das einzig Erwähnenswerte' an diesem Abend in den Äther von BFBS trug."
 

Dimitri Hegemann im Interview br>Text & Interview: Steffen Bennemann (Dezember 2002)

.............. etc. etc.  Und noch ein letztes: Was kannst du uns zum Thema "Atonal Festival" verraten?

Zeit wäre es auf jeden Fall, ein Atonal Festival mit neuen Ausdruckdformen in Bild und Ton zu inszenieren.
IIch würde sofort mitmachen. Aber das reicht nicht. Money und qualifizierte Mitarbeiter fehlen. Neue Wege - Neue Begleiter.

....................

links: href="http://www.youtube.com/watch?v=WiQX5OKqO_4"> http://www.youtube.com/watch?v=WiQX5OKqO_4